Bisher verlief meine Reise auf ungeheuerliche Weise sehr nach Plan. Vielleicht war das der Grund, weshalb ich mich gestern spätabends dazu entschlossen hatte, die Route nochmal zu großen Teilen über den Haufen zu werfen. Eigentlich wollte ich über den Jaunpass und Châtel-Saint-Denis nach Lausanne fahren. Aber dann fand ich noch zu viele schöne Ecken im Naturpark Gruyère Pays-d’Enhaut, dass ich die Route weiter in Richtung Süden verlegte und damit verlängerte. Nach einem frühen und fürstlichen Frühstück (und einer nicht allzu langen Nacht aufgrund der quietschenden Matratze) ging es los. Zunächst entlang des Thunersees. Auch dieser ein Traum mit zahlreichen schönen Badestellen und glasklarem Wasser.
Etwa auf der Hälfte des Seeufers musste ich dann jedoch gen Westen ins Simmental abbiegen. Hier hat man zwei Möglichkeiten: man bleibt auf der Hauptstraße, was durchaus gut funktioniert, oder man nimmt den parallel verlaufenden Radweg. Ich habe diesen mehrfach versucht und mich nach einigen 20% Rampen und einzelnen Gravelstücken dazu entschieden, meinen Beinen diese Körner zu sparen. Der Tag wird noch lang.
Im putzigen Örtchen Saanen gönnte ich mir eine kurze Mittagspause in der Sonne, denn bald sollte ein längerer Anstieg durch eine Schlucht entlang der Route des Mosses folgen.
Das Gute an Schluchten ist ja, dass sie bei Gewitter selten der höchste Punkt in der Umgebung sind. Genau wie ich. Ergo ließ ich mich von dem Donner und den dunklen Wolken über den Berggipfeln nicht aufhalten. Ich bin schließlich schon bei schlechterem Wetter geradelt. Mit spektakulärer Aussicht und wenig spektakulären Prozenten schlängelte sich die Straße bergauf.
Oben angekommen ging es dann weiter in ein militärisches Sperrgebiet, die zone militaire de l’Hongrin. Ob sie hier wohl auf Minimobile schießen? Wahrscheinlich nicht, sonst würde hier nicht ein ausgewiesener Radweg verlaufen. Nach ein paar Kilometern autofreier Fahrt, fingen die dunklen Wolken an sich richtig zu entladen. Skandal im Sperrbezirk!
Aber auch das hatte sich bald wieder erledigt und ich fand mich in einer Bergidylle wieder. Sogar die Sonne kam wieder zum Vorschein. Aber das sollte es noch nicht an Überraschungen gewesen sein. Denn auf einmal tat sich vor mir ein Panorama auf, das seinesgleichen sucht.
Es folgte ein schmaler stockdunkler Tunnel, bevor es in einer steilen kurvenreichen Abfahrt zurück ins warme, sonnige Tal Richtung Montreux weiterging. Dort angekommen genehmigte ich mir erstmal neben Freddie Mercury eine Pause. Helden unter sich. Das Wasserspiel nebenan bot sich zudem für eine kurze Unterbodenwäsche an. Schließlich hatte die Optik nach dem Gewitter etwas gelitten. Und was Kinder können, können wir schon längst.
Ab hier waren es nur noch etwas mehr als 30 Kilometer bis zu meinem heutigen Tagesziel Lausanne. Dorthin führt eine tolle (wenn auch höhenmeterreiche) Alternative zur Hauptstraße durch die Weinberge, die sich wirklich lohnt.
Am Ziel angekommen, nutzte ich die Gelegenheit für einen Sprung in den See bevor es weitere Höhenmeter bis zu meiner Unterkunft zu bewältigen gab. Denn eins ist Lausanne definitiv nicht – flach.
Eckdaten der Etappe: 165km, 2.500hm
Die komplette Route findest du in meinem Komoot Account.