„Und wo kommen Sie her?“ „München.“ „Ahh München, schön! Und heute?“ „München.“ Die nette Gastgeberin des Bed & Breakfast in Mezzolombardo, einem kleinen Ort nördlich von Trient, schaut sichtlich irritiert erst mich und dann mein bepacktes Rad an. „München? Heute? Ohh…“

Ich gebe zu, es ist sicher nicht die typische Art einen freien Freitag zu verbringen. Aber eine ausgesprochen schöne! Doch von vorne.

Um 4:45 Uhr klingelt mein Wecker und das Aufstehen fällt mir überraschenderweise nicht schwer. Schließlich steht mal wieder ein Miniabenteuer an. Mein Rad steht bereits startklar im Flur und wartet nur darauf, dass ich endlich meinen Kaffee geschlürft und ein kleines Frühstück gegessen habe. Ich komme ja schon. Noch im Dunkeln (der Sonnenaufgang ist Mitte September bereits erst um 6:30 Uhr) geht es los, auf altbekannten Wegen gen Süden aus der Stadt.

Einige Wochen zuvor brachte mich eine Freundin, welche am Sonntag ein Radrennen im Trient fahren würde, auf die famose Idee, das Wochenende mit ihr in Südtirol zu verbringen. Insbesondere um diese Jahreszeit immer eine gute Entscheidung. Denn dort erwarten einen in der Regel warme Temperaturen, der Geruch der Apfelernte, hervorragende Radwege und der beste Cappuccino während es in Deutschland langsam herbstlich wird.

Doch mit dem Zug anreisen kann ja jeder. Warum nicht die Gelegenheit für eine One-Day-Transalp nutzen?

Die Strecke von München bis nach Bozen, Trient oder wahlweise den Gardasee – ein Klassiker unter den Alpencrossstrecken – ist dankbar und bestens für einen Selbstversuch geeignet. Die Anstiege sind human und es verläuft eine Zuglinie parallel, die im Zweifel ein Backup für die in meinem Fall 315 Kilometer lange Strecke bietet.

Nach einem kurzen Nieselregen vor Lenggries, über den ich nach meiner Triest Odyssee nur leicht schmunzeln kann, verläuft die Strecke am Sylvensteinspeicher vorbei zum Achensee. Schon allein für diesen Anblick hat sich das frühe Aufstehen gelohnt. Der See liegt ruhig zwischen den Bergen eingebettet da und wartet bis der Tag beginnt. Eine steile Abfahrt führt runter nach Jenbach, gefolgt von einem nennen wir es effizienten Abschnitt Richtung Innsbruck, der wenig Spektakuläres bietet. Ab hier eröffnen sich drei Optionen Richtung Italien.

Wer über genügend Selbstbewusstsein und eine stabile Leistung am Pedal verfügt, wählt die Autobahn. Nachteil: viele hupende Autofahrer, möglicherweise Polizei, Mautgebühr und in der Regel Stau.

Die Eiligen, die der Durchschnittsgeschwindigkeit eine höhere Priorität bemessen als dem Genuss, wählen die alte Brennerstraße.

Die dritte Gruppe, zu der ich mich zähle und bei denen Höhenmeter Verzückung statt Schmerz auslösen, entscheiden sich für die Römerstraße und werden mit traumhafter Aussicht und einem tip top Fahrradweg über den Brennerpass belohnt.

Es ist wahrscheinlich die einfachste Variante für einen Alpencross und ich kann es jedem ans Herz legen, diese zu versuchen. Sie lässt sich außerdem gut in mehrere Etappen, beispielsweise mit Stopp in Sterzing, splitten. Die komplette Route findest du hier in meinem Komoot Account.

Die langgezogene Abfahrt führt einen schließlich über Klausen nach Bozen. Eine gute Gelegenheit sich nochmal mit einem Cappuccino und Pistaziencroissant zu stärken, bevor es flach durch die Apfelplantagen auf dem Etschradweg in Richtung Ziel geht.

Hier kann man Pech und ordentlich Gegenwind haben, doch mir war der Wettergott ausnahmsweise mal wohlgesinnt und ab dem Brenner wurde es zunehmend schöner und wärmer mit leichtem Rückenwind.

Trient bietet sich als Ziel an. Eine schöne Altstadt, viele nette Restaurants, eine Seilbahn für die Aussicht und der Rückweg ist mit 4,5h im Zug nach München denkbar unkompliziert. Vor Ort bieten sich weitere tolle Tourenoptionen, beispielsweise auf den Monte Bondone mit herrlichem Panorama.

Doch was ist noch zu beachten, wenn man 300 Kilometer oder mehr im Sattel sitzt?

Prinzipiell gelten die gleichen Punkte, welche auch unter Tourenplanung beschrieben sind. Bedenke bei einer sehr langen Tagestour, wann Sonnenauf- und -untergang ist. Je länger die Strecke ist, umso mehr Standzeit wirst du entsprechend durch Pausen etc. haben.

Überlege dir für die Verpflegung ggf. vorab, wo du unterwegs stoppen und einkehren kannst. Es gibt nichts Schlimmeres als sich vorzunehmen nach X Kilometern einen Kaffeestopp zu machen, um dann festzustellen, dass es kilometerlang keine Möglichkeit gibt. Mit kompletter Eigenverpflegung bist du da natürlich unabhängiger und diese solltest du ohnehin dabei haben. Nichtsdestotrotz sind auch Brunnen wichtige Wegpunkte, denn deine Flaschen sollten unterwegs nie komplett leer sein.

Hast du vor am Ziel zu übernachten, hilft dir diese Packliste nichts zu vergessen.

Neben der hier beschriebenen Route gibt es noch vielfältige weitere Optionen für einen Alpencross mit dem Rennrad. Beispielsweise bin ich 2019 von München an den Comer See geradelt, eine tolle Strecke durch die Schweiz und Italien. Diese Routen lassen sich oft auch im Schwierigkeitsgrad variieren, wenn man nicht den direktesten Weg wählt.

An einem See oder dem Meer anzukommen hat für mich einen ganz besonderen Charme, weil es ein motivierendes Ziel ist, nach einer langen Tour mit einem Eis oder Apérol am Ufer zu sitzen und den Sonnenuntergang nach einem langen Tag im Sattel zu genießen.

Bei einer one-way Tour wie einem Alpencross solltest du dir außerdem Gedanken über den Rückweg machen. Von Bozen/Trient/Gardasee fährt wie beschrieben eine Zuglinie, die sich hervorragend eignet und auch Fahrradplätze bietet. Bei anderen Zielen ist das nicht immer so einfach. Ein Tipp ist es, nach Anbietern von organisierten Radreisen Ausschau zu halten. Hier kann man oft einen Platz im Bus (mit Fahrradanhänger) für den Rückweg buchen, wenn diese nicht voll besetzt sind. Früh dran sein ist hier gerade in den Sommermonaten die Devise.

Du hast Lust bekommen selbst einen Alpencross mit dem Rennrad zu planen? Schreib mir! Ich bin gespannt auf deine Route und unterstütze dich gerne bei der Planung.

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2 Kommentare

  1. Herzlichen Glückwunsch zu diesem fesselnden Artikel! Deine Kombination aus Tiefe und Breite in der Themenwahl, gepaart mit einem fesselnden Schreibstil, macht deinen Blog zu einer Pflichtlektüre für all jene, die Wissen mit Genuss verbinden möchten.

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